Wasserstoffspeicher für die Welt: HI ERN-Forschende wollen saisonale Stromspeicherung ermöglichen

21. Oktober 2025

Jedes Jahr gehen in Deutschland enorme Mengen erneuerbar erzeugter Energie verloren. Allein 2022 mussten über acht Terawattstunden abgeregelt werden, genug Strom für mehr als zwei Millionen Haushalte. Doch selbst Energie, die nicht abgeregelt wird, kann häufig nicht sinnvoll genutzt werden: Aufgrund fehlender saisonaler Speichermöglichkeiten wird sie zu sehr niedrigen Preisen am Strommarkt verkauft – mitunter sogar zu negativen Preisen. Ursache ist ein grundlegendes Ungleichgewicht: Während im Sommer oft mehr Strom erzeugt als verbraucht wird, herrscht insbesondere im Winter Energiemangel. Bislang fehlen bezahlbare Technologien, um diese saisonalen Überschüsse langfristig zu speichern und bedarfsgerecht verfügbar zu machen. Genau hier setzt das neue Projekt H2Season an.

Forschende des Helmholtz-Institutes Erlangen-Nürnberg für Erneuerbare Energien (HI ERN) entwickeln derzeit ein innovatives Konzept zur saisonalen Energiespeicherung: Die reversible elektrochemische Speicherung von Wasserstoff im flüssigen Wasserstoffträger Aceton / Isopropanol (sog. LOHCs – Liquid Organic Hydrogen Carriers). Dabei wird grüner Wasserstoff elektrochemisch an Aceton gebunden, wodurch Isopropanol entsteht. Hierbei handelt es sich um ungiftige, kostengünstige und industriell verfügbare Moleküle, die sich sicher in herkömmlichen Kunststofftanks lagern lassen. Bei Bedarf kann der Wasserstoff durch elektrochemische Dehydrierung wieder freigesetzt werden; das dabei entstehende Aceton wird in die Speichertanks zurückgeleitet und steht für den nächsten Zyklus bereit.

Flexibel, effizient, sicher: Die Vorteile des H2Season-Konzepts

Die in der Abteilung von Prof. Simon Thiele entwickelte Technologie hat nicht nur das Potential von geringen Material- und Betriebskosten, sondern auch ein breites Anwendungsspektrum. Die eingesetzten elektrochemischen Reaktoren zur Hydrierung und Dehydrierung sind unabhängig von der verwendeten Elektrolyse- oder Brennstoffzelltechnologie einsetzbar und somit mit einer Vielzahl bestehender und zukünftiger Energiesysteme kompatibel. Auch wirtschaftlich ist das Konzept vielversprechend: Die Technologie erreicht Rundtrip-Effizienzen von bis zu 40 %, die vergleichbar sind mit Druckwasserstoffspeichern, jedoch bei einem Bruchteil der Kosten von Batteriespeichern.

Nächste Schritte: Vom Labor zur realen Anwendung

H2Season, gefördert durch das Bayrische Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (StMWi), ist auf eine Laufzeit von 3,5 Jahren angelegt und strukturiert sich in drei eng verzahnte Teilprojekte. Im Fokus stehen die Entwicklung, Skalierung und Systemintegration der neuen elektrochemischen Wasserstoffspeichertechnologie zu einem praxisnahen Demonstrator, der die Technologie unter realen Bedingungen testet.

Ziel ist es, im Verlauf der Projektlaufzeit ein marktnahes, sicheres und wirtschaftliches Speichersystem zu entwickeln – und damit einen entscheidenden Beitrag zur Energieunabhängigkeit und Klimaneutralität ländlicher Betriebe, sowie Deutschlands und Europas, zu leisten.

Projekthintergrund

H2Season basiert auf intensiven Vorarbeiten im Vorgängerprojekt „Emissionsfreier und stark emissionsreduzierter Bahnverkehr auf nicht-elektrifizierten Strecken“, das vom Bayrischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie gefördert wurde.

Dort wurde die elektrochemische Dehydrierung von Aceton / Isopropanol umfassend untersucht. In mehreren Veröffentlichungen haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des HI ERN die technologischen Potenziale und Herausforderungen elektrochemischer Zellen mit Isopropanol als Trägermedium analysiert. In einer weiterführenden Studie wurde die grundlegende Machbarkeit von elektrochemischer Hydrierung und Dehydrierung gezeigt. Hierbei wurden zentrale Parameter wie Brennstoffkonzentration, Temperatur und Mischverhältnisse gezielt untersucht und Zellperformance und Energieeffizienz unter realitätsnahen Bedingungen gezeigt. Insgesamt wiesen die Ergebnisse bereits sehr hohe Stromdichten bei geringen Spannungen auf. Damit konnte das Potential kompakter und kostengünstiger Systeme aufgezeigt werden, die zur Wasserstoffspeicherung/-bereitstellung nur geringe Energiekosten aufwenden müssen.

Erleben Sie den ersten H2Season-Prototypen live! Bei der Langen Nacht der Wissenschaften an unserem Standort "Auf AEG" in Nürnberg. Mehr

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Letzte Änderung: 22.10.2025